Genfer Projekt zur regionalen Entwicklung
Gemeinsam sind wir stark! Die Landwirtinnen und Landwirte im Grossraum Genf sind diesem Motto schon lange treu. Die Union Maraîchère de Genève (UMG) vereint die Genfer Gemüseproduzenten seit 1946, in den Laiteries Réunies de Genève (LRG) sind seit 1911 die Genfer Milchproduzenten zusammengeschlossen und im Cercle des Agriculteurs de Genève (CAG) bündeln sich die Kräfte von Genfer Getreide- und Weinproduzenten seit 1868. Diese drei Genossenschaften strukturieren die Vertriebs- und Vermarktungsbranchen des Kantons Genf sowie eines Teils der Waadtländer Region La Côte und der Freizonen im französischen Grenzgebiet. Seit 2012 arbeiten sie am Genfer Projekt zur regionalen Entwicklung (PRE) – mit der Unterstützung von AgriGenève (Dachverband der Genfer Landwirtschaft), der FZAS (Genfer Stiftung für Speziallandwirtschaftszonen) und acht Unter-Glas-Produzenten.
«I have a dream»
Wie es Martin Luther King 1963 in Washington so treffend sagte, beginnt jedes Projekt mit einem Traum. Rund 40 Jahre später träumt die UMG in Genf von einer Anlage mit echtem Entwicklungspotenzial, möchte die LRG die Vermarktung von Frischmilch wieder selbst an die Hand nehmen (sie wurde in den 1990er Jahren im Zuge der Öffnung des Schweizer Milchmarktes abgegeben), schwebt dem CAG eine Diversifizierung in Malz vor und hegen die Unter-Glas-Produzenten den Wunsch nach neuen Anlagen im Sinne der nachhaltigen Entwicklung.
Nebst diesen aufkeimenden Träumen strukturiert sich die Region, die aus französischen, Waadtländer und Genfer Teilgebieten besteht, und das Agglomerationsprogramm im Grossraum Genf nimmt mit der Integration aller örtlichen sozioökonomischen Komponenten konkrete Formen an. Die Stadt entdeckt die Vorzüge ihrer Landwirtschaft neu und das Label Genève Région – Terre Avenir (GRTA) fasst Fuss.
Mit dem PRE ziehen alle am gleichen Strick
2004 schafft der Bund ein neues Instrument für die Investitionshilfe: das Projekt zur regionalen Entwicklung (PRE). Damit sollen bestehende Synergien zwischen Landwirtschaft und regionaler Entwicklung optimal genutzt werden können.
Doch ist das Konzept, das eigentlich für die Berggebiete des Landes gedacht ist, auch in stadtnahen Regionen wie Genf umsetzbar? 2009 ermunterte das Genfer Landwirtschaftsamt die UMG, den Schritt zu wagen und zur Verwirklichung ihres Traums beim BLW ein PRE im Bereich Gemüsebau einzureichen. Das Projekt ist ambitiös und sieht unter anderem die Einrichtung von Speziallandwirtschaftszonen (Gewächshauszonen) vor.
«Yes, we can»
In Ermangelung der nötigen finanziellen Mittel müssen beim Projekt Abstriche gemacht werden und einige grosse Investitionen werden auf Eis gelegt. Das PRE wird branchenübergreifend ausgerichtet und schliesst die Schaffung einer Plattform zur Vermarktung von GRTA-Produkten für Grossküchen mit ein. Das Projekt wird zum Vorhaben einer ganzen Region und startet im Juni 2012.
Mai 2012, Unterzeichnung der PRE-Vereinbarung zwischen dem BLW, dem Kanton Genf und der Vereinigung PRE Genf: Das Ende eines grossen gemeinschaftlichen Planungsaufwands und der Anfang der 6-jährigen Umsetzung. (© BLW)
Lückenlose Unterstützung durch den Kanton
Damit ein PRE überhaupt vom Bund gutgeheissen werden kann, muss die Unterstützung seines Kantons gesichert sein. Dieser dient nicht nur als administratives Bindeglied zwischen Projektträgerschaft und Bern, sondern muss sich auch finanziell für das PRE verpflichten und zwar in Höhe von 80 % des Bundesbeitrags.
Das Projekt wird vom Kanton von Anfang an aktiv unterstützt, denn es zieht in die Stossrichtung der Prioritäten, die 2005 mit dem kantonalen Landwirtschaftsfördergesetz von der Genfer Regierung beschlossen wurden. Ausserdem reiht es sich als landwirtschaftlicher und Genfer Teilbereich in das Agglomerationsprogramm ein. Ausser der kantonalen Beteiligung an den Kosten für die Vorstudien und die behördliche Projektbegleitung wird die kantonale Subvention für die Umsetzung des PRE zum Grossteil über die Einkünfte aus der neuen Grundstückgewinnsteuer finanziert.
Ein massgeschneidertes PRE ganz im Sinne der Bevölkerung des Grossraums Genf
Mit dem Genfer PRE soll die nachhaltige Entwicklung landwirtschaftlicher Infrastrukturen, die den Bedürfnissen der Produzentinnen und Produzenten wie auch den Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten des Grossraums Genf entsprechen, koordiniert gefördert werden. Im Einzelnen werden folgende Punkte unterstützt:
eine wettbewerbsfähige regionale Landwirtschaft;
eine Landwirtschaft mit der nötigen Infrastruktur für kurze Distanzen (lokale Produktion, lokaler Konsum);
eine nachhaltige und umweltschonende Landwirtschaft, namentlich mittels Förderung erneuerbarer Ressourcen;
eine konsumentenorientierte Landwirtschaft, insbesondere über die Vermarktung von Produkten, die den vier Kernwerten des Labels Genève Région – Terre Avenir (Qualität, Nähe, Rückverfolgbarkeit, Fairness) entsprechen;
eine Landwirtschaft, die sich harmonisch in die stadtnahe Agglomerationslandschaft einfügt (z. B.: Speziallandwirtschaftszonen).
Ein PRE, vier strategische Achsen, sechzehn Massnahmen
Das Projekt setzt sich konkret aus 16 Massnahmen (oder Unterprojekten) zusammen, die nach den folgenden vier strategischen Achsen ausgerichtet sind:
Modernisierung der Unter-Glas-Produktion;
Ausbau der erneuerbaren Energien;
Verbesserung der Prozesse und Instrumente für die Vermarktung von lokalen Erzeugnissen;
Raumgestaltung der Unter-Glas-Produktion (Speziallandwirtschaftszonen).
Coaching und Unterstützung von aussen
Um Träume in einem Gemeinschaftsprojekt zusammentragen zu können, müssen Emotionen in eine greifbare Form gebracht werden. Hierfür ist das Zutun eines externen Akteurs unerlässlich. In der Konzept-Phase stand AGRIDEA dem Projekt zur Seite. Anschliessend beschloss die PRE-Begleitorganisation, mit OM Management aus Montreux ein gänzlich gebietsfremdes Consulting-Unternehmen beizuziehen. Mit diesem Vorgehen konnten klare strategische Entscheidungen getroffen und die operationelle Umsetzung festgelegt werden. Zudem konnte man dadurch in der Planungsphase auf Kompetenzen bauen, wie sie vom BLW gefordert werden, und in der Umsetzungsphase dann auf ganz spezifische Kompetenzen in den Bereichen Marketing, Emotionsmanagement und branchenübergreifendes Projektmanagement setzen.
Halbzeit-Bilanz (Juni 2015)
Nach 3 (von 6) Jahren der Umsetzung liegt die finanzielle Ausführungsrate bei 60 %. 5 Massnahmen sind abgeschlossen, 6 Massnahmen werden derzeit umgesetzt und 5 Massnahmen wurden noch nicht lanciert. Diese Bilanz ist umso erfreulicher, als die wichtigsten Massnahmen des Projekts bereits umgesetzt wurden (namentlich die GRTA-Plattform als Kernelement des PRE). Es ist jedoch durchaus möglich, dass nicht alle Massnahmen realisiert werden – sei es aus verwaltungstechnischen Gründen (administrative Blockaden, Einsprachen der Nachbarschaft) oder infolge der Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Dies sind Risiken, die bei einem Projekt mit einer Ausführungszeit von 6 Jahren nicht vermieden werden können. Die Massnahmen, die zuletzt umgesetzt werden, sind meist jene, die zu Projektbeginn technisch und administrativ am wenigsten ausgereift sind. Die Gefahr, dass diese schliesslich nicht realisiert werden, muss man hinnehmen.
Gewächshaus Serre des Marais: Ein Neubau, der vom Willen der Genfer Unter-Glas-Produzenten zeugt, die Erwartungen der Bevölkerung im Sinne der nachhaltigen Entwicklung und einer harmonischen Einfügung in die Landschaft zu erfüllen.
Bei der Wirkungsanalyse ist es schwieriger, Bilanz zu ziehen. Die Investitionen sind langfristig ausgelegt, sodass positive wie auch negative Signale nach den ersten Feldumfragen des Projekt-Begleiters relativiert werden müssen.
Es lässt sich jedoch bereits sagen, dass das PRE ein ausgezeichnetes Instrument für die strategische Planung ist, da alle Beteiligten gezwungen sind, sich langfristige Gedanken zu machen und dabei die personellen Ressourcen, die wahrscheinliche Branchenentwicklung und die Möglichkeiten der Zusammenlegung von Investitionen zu berücksichtigen. Das PRE bietet somit eine hervorragende Gelegenheit, einzelne Träume in einem kohärenten Gemeinschaftsprojekt zusammenzutragen.
Holzgeheizter Kessel mit Open Buffer und Partikelfilter: Eine umweltschonende Alternative, um Gewächshäuser mit erneuerbarer Energie zu heizen. (© BLW)
Strategische Achsen und Massnahmen des Genfer PRE
Strategische Achsen | Massnahmen (Unterprojekte) |
Modernisierung der Unter-Glas-Produktion | Bau von 7 Gewächshäusern für Gemüse- und Gartenbau zur Steigerung der Produktivität und der Energieeffizienz und zur Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und der Treibhausgasemissionen. |
Ausbau der erneuerbaren Energien in der Unter-Glas-Produktion | Modernisierung eines holzgeheizten Kessels von 2,5 MW mit Open Buffer und Partikelfilter für den Rauch. |
Verbesserung der Prozesse und Instrumente für die Vermarktung von lokalen Erzeugnissen | Schaffung einer branchenübergreifenden Vermarktungsplattform von GRTA-Produkten für Grossküchen. Umzug und Bau einer neuen Obstbauzentrale. Einrichtung von zwei Einheiten für die Verarbeitung und Vermarktung von Bio-Produkten. Schaffung einer neuen UHT-Milch-Linie. Schaffung eines Mälzerei-Netzes. Schaffung einer neuen Einheit für die Verarbeitung von Spezial- und Bio-Getreide. |
Raumordnung der Unter-Glas-Produktion | Einrichtung von Speziallandwirtschaftszonen, namentlich von grünen/blauen Zonen (Gewässer unter freiem Himmel, Naturzonen, landschaftliche Einfügung). |
Quelle: BLW
Alain Bidaux, Direction générale de l’agriculture du canton de Genève
Olivier Mark, OM Management, Montreux
Kontakt: Gustav Munz, BLW, Fachbereich Agrarökonomie, Raum und Strukturen, gustav.munz@blw.admin.ch
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